Grundlagen der Ayurveda-Ernährung
Du fragst dich, was Ayurveda-Ernährung ist und was du essen darfst? Im Gegensatz zu vielen anderen Ernährungskonzepten gibt es im Ayurveda keinen Standardweg, der für alle Menschen gilt: Deine Ernährungsempfehlungen richten sich nach deiner Konstitution und deinen Symptomen. Trotzdem gibt es auch bei der ayurvedischen Ernährung bestimmte Grundprinzipien, von denen wir alle profitieren.
Ayurveda-Ernährung: Deine Nahrung als Heilmittel
Die Lebensmittel, die wir täglich zu uns nehmen, versorgen unseren Körper mit lebenswichtigen Nährstoffen. Die westliche Ernährungswissenschaft blickt dabei vor allem auf die Kalorien, das richtige Verhältnis der Makronährstoffe (Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße) sowie Vitamine und Mineralstoffe. Wer ausreichend Obst und Gemüse isst, Vollkorn- statt Weißmehlprodukte verwendet und eine moderate Menge an tierischen Produkten zu sich nimmt, ist nach der Ernährungspyramide der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in der Regel gut aufgestellt.
In mancher Hinsicht decken sich diese Überzeugungen zwar mit den Lehren des Ayurveda. Trotzdem gehen wir an das Thema Ernährung insgesamt etwas anders heran. Der Begriff Ayurveda heißt übersetzt so viel wie „Wissenschaft des Lebens“. Mit Wissenschaft sind dabei allerdings nicht nur klinische Studien und Theorie aus Büchern gemeint: Vieles von dem, was wir im Ayurveda lehren und praktizieren, basiert auf dem Erfahrungsschatz der vergangenen 5.000 Jahre – etwa so alt ist der Ayurveda. Außerdem gehen Ayurvedis davon aus, dass jeder Mensch ein tiefes, ewiges Wissen in sich trägt, das über Generationen hinweg weitergegeben wird.
Wenn es um Gesundheit und Wohlbefinden geht, kommt der Ernährung im Ayurveda eine zentrale Rolle zu. Lebensmittel gelten nicht nur als Energie- und Nährstofflieferanten, sondern vor allem auch als Heilmittel. Alle physischen und psychischen Symptome und Störungen behandeln wir im Ayurveda mit einem Ernährungsplan, der individuell auf die Person abgestimmt wird. Ergänzend dazu arbeiten wir mit weiteren Faktoren: zum Beispiel mit ayurvedischen Detox- oder Reinigungskuren (Panchakarma), manuellen Behandlungen wie Massagen, Heilkräutern, ayurvedischer Psychotherapie und speziellen Atem- und Körperübungen aus dem Yoga.
Im Kern geht es bei einer ayurvedischen Lebensweise allerdings um die Prävention: Indem du vorwiegend Lebensmittel isst, die zu dir passen, stärkst du alle Gewebe deines Körpers und beugst der Entstehung von Krankheiten vor. Wer sich richtig ernährt und dem eigenen Rhythmus folgt, benötigt demnach keine Medizin. Die Kriterien und Prinzipien für das, was nach ayurvedischem Verständnis „richtig“ und vorteilhaft ist, gehen allerdings weit über die der westlichen Wissenschaft hinaus.
So individuell wie du: Ernährungsempfehlungen für die Doshas
Die ayurvedische Ernährungslehre ist ein sehr umfangreiches Konzept. Im Zentrum steht die Überzeugung, dass jeder Mensch individuelle Bedürfnisse hat. Ein Lebensmittel kann auf zwei Personen völlig unterschiedlich wirken: Des einen Heilmittel ist des anderen Gift. Den Begriff „Gift“ musst du dabei allerdings nicht wortwörtlich nehmen, denn wirklich verboten ist im Ayurveda eigentlich nichts. Manche Lebensmittel sind für dich vielleicht günstiger als für deine Freundin, bei anderen ist es umgekehrt.
Welche Empfehlungen der Ayurveda für dich hat, basiert in erster Linie auf deiner Dosha-Kombination. Die Doshas Vata, Pitta und Kapha entsprechen im Ayurveda jeweils zwei der fünf Elemente. Genau wie diese haben die Doshas bestimmte Eigenschaften, die sich an deinem Aussehen, deinen Körperfunktionen und deiner Persönlichkeit zeigen. Wir alle tragen alle drei Doshas in uns, allerdings sind bei den meisten Menschen ein oder zwei Doshas etwas stärker ausgeprägt. Erfahrene Ayurveda-Therapeut*innen sehen unter anderem auch an deiner Zunge und deinem Puls, was deine Konstitution ist.
Ein optimaler ayurvedischer Ernährungsplan berücksichtigt sowohl deine Geburtskonstitution (Prakriti) als auch deine aktuelle Dosha-Kombination (Vikriti). Faktoren wie Alter, Jahreszeit, Tagesrhythmus, Ernährungsweise und die generellen Bedingungen, in denen du lebst, können nämlich dazu führen, dass du dein natürliches Gleichgewicht verlierst. Mit einer typgerechten Ayurveda-Ernährung kannst du die Doshas ausbalancieren und so deine Gesundheit stärken. Der Ayurveda unterteilt Lebensmittel dabei anhand bestimmter Kriterien, wie zum Beispiel dem Geschmack (Rasa), ihrem Nachverdauungseffekt (Vipaka) und ihrer thermischen Wirkung.
Einige Beispiele:
- Vata-Typen konzentrieren sich am besten auf Lebensmittel mit süßem und saurem Geschmack, dürfen bei Fetten und Ölen beherzt zugreifen und sollten mit Hülsenfrüchten und bitterer Nahrung sparsam umgehen.
- Pitta-Typen profitieren von süßen und bitteren Produkten, benötigen ausreichend Kohlenhydrate und sollten lieber nicht zu scharf oder sauer essen.
- Kapha-Typen tut der herbe und bittere Geschmack gut. Hülsenfrüchte und große Portionen Gemüse verleihen ihnen mehr Leichtigkeit, süße und ölige Lebensmittel verstärken dagegen das Kapha Dosha.
Alles dreht sich um Agni und Ama
Während die westliche Medizin erst seit relativ kurzer Zeit weiß, wie wichtig unser Darm-Mikrobiom ist, dreht sich im Ayurveda seit jeher alles um die Verdauung. Das Ziel der ayurvedischen Ernährungsweise ist, dass dein Körper die Nahrung optimal aufnehmen und verstoffwechseln kann. Wenn du Lebensmittel isst, die zu dir und deiner Konstitution passen, stärkst du Agni, das ayurvedische Verdauungsfeuer. Agni findet sich übrigens nicht nur im Darm: Neben der Nahrung verdaut es unter anderem auch Informationen, Erlebnisse und Gefühle.
Ein insgesamt starkes Agni steht im Ayurveda für eine starke physische und psychische Gesundheit. Hier kommt wieder das Konzept der Doshas ins Spiel, denn Vata, Pitta und Kapha haben eine unterschiedliche Agni-Qualität. Pitta-Typen haben in der Regel eine gute Verdauung und einen schnellen Stoffwechsel. Viele Vata-Typen sind eher schlechte Futterverwerter*innen, die regelmäßig unter Blähungen und Verstopfung leiden. Ein starkes Kapha Dosha zeigt sich an einer wechselhaften Verdauung und einem eher trägen Stoffwechsel.
Je kräftiger dein Agni, desto robuster ist deine Verdauung – und desto mehr Nahrungsmittel verträgst du. Für einen individuellen ayurvedischen Ernährungsplan analysieren wir deshalb dein Agni und schauen, wie viel Ama du in deinem Körper hast. Unter dem Begriff Ama verstehen wir im Ayurveda Stoffwechselrückstände oder -zwischenprodukte, die sich als Folge eines schwachen Agnis in deinem Körper ansammeln. Typische Symptome von viel Ama im Körper sind zum Beispiel Müdigkeit, Verdauungsprobleme und ein dicker Belag auf deiner Zunge.
Ama entsteht zum Beispiel durch eine ungünstige Ernährung, Umweltgifte oder auch psychische Belastungen wie Stress oder Angst. Ama gilt im Ayurveda als die Wurzel aller Krankheiten. Wenn wir mit Klient*innen arbeiten, gilt deshalb grundsätzlich die Devise „Treat Ama first“.
Einige Grundlagen der ayurvedischen Ernährung
Jetzt weißt du also, dass eine ayurvedische Ernährungsweise immer auf die jeweilige Person und ihr Leben zugeschnitten sein muss. Trotzdem gibt es einige Prinzipien, die für alle Doshas gelten. Ähnlich wie die westliche Ernährungswissenschaft empfiehlt auch der Ayurveda grundsätzlich frische, vollwertige und möglichst abwechslungsreiche Nahrung. Ayurvedische Rezepte sind meist recht einfach zu kochen und lassen sich deshalb gut in deinen Alltag integrieren. Wenn du die folgenden Kriterien beachtest, kannst du fast jede Mahlzeit ayurvedisieren.
Die richtige Menge
Sowohl zu viel als auch zu wenig Nahrung kann nach dem Verständnis des Ayurveda Agni beeinträchtigen. Fühlst du dich nach dem Essen schwer und müde oder hast du schon nach kurzer Zeit wieder Hunger, solltest du deine Portionsgröße im Auge behalten. Wenn du das Fassungsvermögen deines Magens gedanklich in vier Teile teilst, sollte einer davon immer leer bleiben. Ein weiterer Teil ist für Wasser und anderer Flüssigkeiten reserviert. Das bedeutet, du füllst deinen Magen beim Essen nur etwa zur Hälfte mit fester Kost.
Warme Nahrung
Im Ayurveda kochen wir fast alles: Sogar Wasser wird nach unserem Verständnis leichter und besser verdaulich, wenn wir es vor dem Trinken kurz aufkochen. Rohkost essen wir im Ayurveda nur selten und in kleinen Mengen. Die Ausnahme ist frisches Obst, da es ohnehin leicht verdaulich ist und beim Kochen alle Vitamine verlieren würde. Im Ayurveda wird Obst deshalb gleich morgens als erstes gegessen. Abgesehen davon empfehlen wir aber, nach Möglichkeit warme und frisch gekochte Mahlzeiten zu essen, da der Körper sie so besser verwerten kann.
Ayurvedisch trinken
Damit dein Körper optimal funktioniert, braucht er eine Menge Flüssigkeit – auch in dieser Hinsicht sind sich der Ayurveda und die westliche Wissenschaft einig. Wir empfehlen allerdings, etwa eine Stunde vor und nach den Mahlzeiten nichts zu trinken, da das die Verdauung stören kann. Ähnlich wie Rohkost und kaltes Essen können zudem auch kalte Getränke dein Agni dämpfen. Besser sind warmes Wasser, Ingwerwasser oder heiße Kräutertees.
Auf den Zeitpunkt kommt es an
Der Ayurveda unterteilt den Tag in unterschiedliche Abschnitte. Jeder der Abschnitte ist einem bestimmten Dosha zugeordnet: So ist morgens zwischen 6 und 10 Uhr Kapha-Zeit, zwischen 10 und 14 Uhr Pitta-Zeit und zwischen 14 und 18 Uhr Vata-Zeit. Je nachdem, welches Dosha vorherrscht, hat der Ayurveda unterschiedliche Ernährungsempfehlungen. Während der Pitta-Phase ist Agni am stärksten: Mittags ist deshalb auch etwas Rohkost erlaubt. Auch Hülsenfrüchte sind dann leichter verdaulich.
Das Abendessen sollte möglichst früh stattfinden und nur noch leichte Kost enthalten. Im Ayurveda empfehlen wir außerdem, möglichst jeden Tag zur selben Zeit zu essen, zwischen den Mahlzeiten mindestens drei bis vier Stunden Abstand einzuhalten und möglichst nicht zu snacken. Dann kann dein Agni optimal arbeiten.
Lebensmittel-Kombinationen im Ayurveda
Der Ayurveda verbietet kein Lebensmittel: Sogar Alkohol gilt in Maßen und zu gegebenem Zeitpunkt als durchaus förderlich. Allerdings gibt es bestimmte Nahrungsmittel-Kombinationen, die sehr schwer verdaulich sind und zu Störungen führen können.
Einige Beispiele:
- Milchprodukte sollten nicht mit sauren und salzigen Lebensmitteln oder Früchten kombiniert werden
- Obst wird generell nur für sich allen verzehrt
- Unterschiedliche tierische Proteine passen nicht zusammen (zum Beispiel Milch und Fleisch oder Fleisch und Fisch)
- Gekochtes und rohes Essen wird nicht kombiniert
Ayurvedische Geschmäcker und Gewürze
Im Ayurveda versuchen wir, in jede Mahlzeit alle sechs Geschmäcker (süß, sauer, salzig, scharf, bitter und herb bzw. adstringierend) zu integrieren. Das funktioniert besonders gut mithilfe von kleinen Extras, wie etwas Zitronensaft oder verschiedenen Kräutern und Gewürzen. Mit ihren individuellen Eigenschaften unterstützen Kurkuma, Kümmel, Koriander & Co. zudem die Verdauung und helfen dir, ein Gericht deiner Dosha-Konstitution anzupassen.
Achtsamer Genuss
Ganz egal, was du isst: Genauso wichtig wie die Wahl der Lebensmittel ist im Ayurveda die Intention, mit der du deine Nahrung zubereitest und verzehrst. Ideal ist es, wenn du deine Mahlzeiten grundsätzlich selbst frisch zubereitest. Such dir zum Essen einen schönen und ruhigen Ort, an dem deine ganze Aufmerksamkeit auf deinen Teller richten kannst. Lass dich möglichst nicht ablenken, iss mit Bedacht und kaue jeden Bissen sorgfältig: Das hilft dir, ein besseres Gespür für die die Wirkung der Lebensmittel auf deinen Körper zu entwickeln.
Ist Ayurveda-Ernährung immer vegan?
Wer sich zum ersten Mal mit dem Ayurveda beschäftigt, stellt sich oft die Frage, ob im Ayurveda nur pflanzliche Lebensmittel erlaubt sind. Die Antwort lautet auch hier: Es kommt darauf an. Vata-Typen neigen oft zu Untergewicht und Nährstoffmangel – für sie empfiehlt der Ayurveda deshalb auch Milchprodukte, Fleisch und Fisch. Bei Pittas sollte der tierische Anteil etwas geringer sein, die meisten Kaphas profitieren von einer vorwiegend veganen Ayurveda-Ernährung.
Milch, Honig, Ghee, der ayurvedische Butterschmalz, gelten im Ayurveda als kostbare Heilmittel, die unter anderem auch als Trägerstoff von Heilpflanzen verwendet werden. Prinzipiell ist eine ayurvedische Ernährungsweise also nicht vegan. Wie wir allerdings schon angedeutet haben, legt der Ayurveda großen Wert auf die Intention und Qualität, mit der ein Lebensmittel produziert wird. Für uns zählt deshalb, dass Lebensmittel möglichst saisonal, regional und schadstofffrei sein sollten.
Gerade bei tierischen Produkten kommt dazu der Aspekt der Gewaltlosigkeit, im Sanskrit, auch Ahimsa genannt: Milchprodukte, Fleisch und Fisch sind heute kaum noch in der Qualität erhältlich, wie sie in den alten Schriften des Ayurveda beschrieben ist. Wenn du tierische Lebensmittel verwenden möchtest, empfehlen wir dir deshalb, nach Möglichkeit sehr hochwertige Produkte in Demeter-Qualität zu verwenden.
Fazit: Ayurveda-Ernährung muss zu dir passen
Eine Standardlösung für alle gibt es im Ayurveda nicht – wir Menschen sind schließlich keine Maschinen, die alle nach Lehrbuch funktionieren. Ein ayurvedischer Ernährungsplan ist in jeder Hinsicht auf dich, dein Leben und deine individuelle Dosha-Konstitution ausgerichtet. Wenn du dich typgerecht ernährst, kannst du Krankheiten vermeiden und dafür sorgen, dass dein Körper auch im höheren Alter fit und vital bleibt.
Wir betrachten jedes einzelne Lebensmittel als kostbare Medizin, die eine ganz bestimmte Wirkung auf deinen Körper und Geist hat. Der Effekt, den ein Gericht auf dich hat, wird auch durch die Herkunft der Zutaten, die Art der Zubereitung sowie die Menge und den Zeitpunkt der Mahlzeit beeinflusst. Je höher die Qualität deiner Nahrung ist und je achtsamer du sie zubereitest und verzehrst, desto mehr profitierst du.
Auch wenn es grundsätzliche Regeln bei der Ayurveda-Ernährung gibt, möchten wir dich ermutigen, immer auf dein eigenes Bauchgefühl zu hören. Wenn du lernst, die Signale deines Körpers richtig zu deuten, merkst du selbst am besten, welche Art der Ernährung die richtige für dich ist. Neben allen gesundheitlichen Effekten geht es schließlich auch darum, dass du dein Essen in vollen Zügen genießen kannst.
Wenn du noch tiefer in die Konzepte der Ayurveda-Ernährung eintauchen möchtest, würden wir uns sehr freuen, dich als Teilnehmer*in unserer Ausbildung zum Ayurveda-Ernährungsberater begrüßen zu dürfen! Nach Abschluss der Ausbildung weißt du genau, wie du Lebensmittel gezielt einsetzt, um ein Leben in Balance zu führen. Schau doch mal vorbei!