VG Wort Pixel

Die drei Maha Gunas im Ayurveda: Sattva, Rajas und Tamas

08.01.2023 | Ayurveda, Gesundheit, Wissen

Die drei Maha Gunas im Ayurveda: Sattva, Rajas und TamasSattva, Rajas und Tamas sind die drei Maha Gunas und stehen für die geistigen Qualitäten eines Menschen. Sie beeinflussen, durch welche Brille du das Leben und deine Umgebung wahrnimmst und wie du auf Herausforderungen reagierst. Indem du bewusst darauf achtest, welches der Gunas gerade am stärksten ist, kannst du für ein besseres Gleichgewicht sorgen.

Die Bedeutung der Gunas im Ayurveda

Der Begriff Gunas stammt aus dem Sanskrit und kann auf unterschiedliche Art übersetzt werden: Während die wörtliche Übersetzung so viel wie „Schnur“ oder Faden“ lautet, passen „Eigenschaft“, „Attribut“ oder „Qualität“ sinngemäß besser zu unserem Verständnis der Gunas. Im Ayurveda sind die Gunas ein essenzielles Prinzip, mit dessen Hilfe wir alle materiellen und immateriellen Qualitäten der Natur beschreiben.

Vorsicht: Das Wort Gunas wird im Ayurveda auf zweierlei Arten verwendet. Die Gurvadi Gunas sind zehn Paare mit jeweils gegensätzlichen Eigenschaften – zum Beispiel heiß und kalt, leicht und schwer oder grob- und feinstofflich. Im Ayurveda glauben wir, dass Gleiches durch Gleiches verstärkt und durch Gegensätzliches ausgeglichen wird. Die Gurvadi Gunas zu kennen, ist deshalb eine wichtige Grundlage, um die natürliche Balance der Doshas wiederherzustellen.

In diesem Beitrag möchten wir uns allerdings auf die drei großen Gunas konzentrieren, auch Maha Gunas oder Triguna genannt. Vielleicht hast du schon einmal von Sattva, Rajas und Tamas gehört? Mit diesen drei Worten beschreiben wir im Ayurveda die geistigen Qualitäten eines Menschen – die sogenannte Manas Prakriti oder Manas Vikriti. Prakriti steht für deine Grundkonstitution, Vikriti für deinen Zustand im aktuellen Augenblick – denn wie stark sich die drei Gunas in dir zeigen, kann sich mit der Zeit verändern.

Maha Gunas: Die drei „großen“ Gunas

„Maha“ heißt übersetzt so viel wie groß oder übergeordnet, das „tri“ in Triguna steht für die Zahl Drei. Die Maha Gunas sind so etwas wie die Doshas des Geistes: Sattva, Rajas und Tamas sind als Grundqualitäten wichtig für die ayurvedischen Psychologie, denn sie beeinflussen dein seelisches und psychisches Wohlbefinden. Du kannst dir die drei Gunas fast wie eine Brille vorstellen, durch die du das Leben und deine Umgebung betrachtest. Das Guna, das gerade in dir überwiegt, bestimmt, mit welcher Einstellung du Herausforderungen angehst und wie du bestimmte Situationen in deinem Alltag erlebst und bewältigst.

Du hast bestimmt eine Person in deinem Umfeld, die immer etwas rastlos wirkt: Ein Termin nach dem anderen und jede Menge Aktionismus, aber wenig Bewusstsein für den Augenblick – ein typisches Beispiel für Rajas. Dann gibt es Menschen, die eine gewisse Schwere in sich tragen, Pflichten lange vor sich herschieben und abends nach der Arbeit buchstäblich in sich zusammensacken. Vermeiden, Antriebslosigkeit und Lethargie sind charakteristisch für Tamas.

Ein Mensch, bei dem Sattva überwiegt, geht hingegen leichtfüßig und achtsam durchs Leben und begegnet allen Hürden mit Klarheit und gesundem Optimismus. Klingt so, als wäre Sattva das einzig Wahre? Es stimmt, dass wir im Ayurveda generell das Ziel haben, die sattvischen Anteile zu verstärken. Wie immer geht es im Ayurveda aber vor allem darum, für eine gesunde Balance zu sorgen – denn alle drei Gunas erfüllen wichtige Funktionen.

Sattva, Rajas und Tamas sind immer in Bewegung und wirken auf feinstofflicher Ebene in uns und um uns herum. Neben der ayurvedischen Psychologie spielen die Gunas auch bei der Ayurveda-Ernährung eine bedeutende Rolle: Jedem Nahrungsmittel ordnet der Ayurveda entweder eine vorwiegend sattvische, rajasische oder tamasische Wirkung zu. Mit dem, was du isst, kannst du nach ayurvedischem Verständnis also direkt deine geistige Verfassung beeinflussen. Das zeigt einmal wieder, wie die ayurvedische Lebensweise immer alle Ebenen der menschlichen Gesundheit im Blick behält.

Sattva: Das Guna der Klarheit und Harmonie

Der Ayurveda betrachtet Sattva als das höchste der drei Gunas. Sattva ist Licht, Reinheit, Klarheit und pure Intelligenz. Ein Mensch, bei dem Sattva überwiegt, handelt nicht auf Basis seines Egos, sondern schöpft seine Kraft aus Güte, Ethik, Vertrauen, Toleranz und dem Bewusstsein, dass alles miteinander verbunden ist. Es heißt, dass dein Mensch, der seine sattvischen Eigenschaften verstärkt, sowohl seinem Dharma – dem Sinn seines weltlichen Daseins – als auch Samadhi, dem Zustand der Befreiung, näherkommt. Die Farbe, die symbolisch für Sattva steht, ist Weiß.

Sattvische Lebensmittel

Als sattvische Nahrung bezeichnen wir allgemein frische, natürliche und vollwertige Mahlzeiten. In der Regel ist das Essen einfach, warm, mild gewürzt und vegetarisch. Es enthält reichlich Nährstoffe, ist leicht verdaulich, wurde gewaltfrei produziert und liebevoll zubereitet. Besonders der süße und der bittere Geschmack unterstützen eine sattvische Ernährungsweise.

Sattvische Lebensmittel nähren Körper, Geist und Seele und bilden Ojas, die feinstoffliche Essenz von Gesundheit und Vitalität. Nach einer sattvischen Mahlzeit fühlst du dich zufrieden, satt und gleichzeitig leicht und energetisiert.

Beispiele für sattvische Lebensmittel:

  • Obst
  • Gemüse
  • Vollwertiges Getreide
  • Hülsenfrüchte
  • Nüsse und Samen
  • Milde Gewürze und Kräuter
  • Milch und Sahne (in Demeter-Qualität)
  • Butter (in Demeter-Qualität)
  • Ghee (in Demeter-Qualität)
  • Honig (in Demeter-Qualität)

Rajas: Das Guna für Leidenschaft und Antrieb

Rajas steht für Motivation, Ehrgeiz und Aktivität – alles Eigenschaften, die wir in unserem Alltag brauchen. Ein gewisses Maß an Rajas ist also durchaus wünschenswert, damit wir uns durchsetzen und unsere Ziele verwirklichen. Menschen mit zu viel rajasischer Energie neigen jedoch zu blindem Aktionismus sowie zu Egoismus, Verbissenheit oder Unruhe. Rajas kann Ängste, Wut und aggressives Verhalten fördern und dazu führen, dass wir ausbrennen oder den Halt verlieren. Rot ist die Farbe, die mit Rajas in Verbindung steht.

Rajasische Lebensmittel

Idealerweise sollte unser Speiseplan zum Großteil aus sattvischen Lebensmitteln bestehen. In moderaten Mengen ist aber manchmal auch rajasische Nahrung hilfreich: Vor allem bei Menschen mit einer Kapha-Prakriti oder -Vikriti kann Rajas Antrieb, Willenskraft und Kreativität verstärken. Rajasische Lebensmittel sind stärker gewürzt als sattvische und haben einen intensiveren Geschmack.

Beispiele für rajasische Lebensmittel:

  • Scharfe Gewürze
  • Sehr saures Essen
  • Sehr ölige Speisen
  • Fermentierte Lebensmittel (Essig, Joghurt, Sauerkraut, Miso)
  • Zwiebeln
  • Knoblauch
  • Kaffee und schwarzer Tee
  • Schokolade
  • Eier
  • Fleisch
  • Fisch

Tamas: Das Guna der Schwere und Dunkelheit

Tamas, das dritte der Gunas, steht für Trägheit, Dunkelheit und Widerstand und wird durch die Farbe Schwarz symbolisiert. Du kannst dir Tamas wie eine Art dickflüssige, ölige, dunkle Masse vorstellen, die uns beschwert und lähmt. Sinnbildlich führt Tamas auch dazu, dass wir „im Dunklen stehen“, nicht mehr weiterwissen oder die Richtung verlieren. Nimmt Tamas überhand, kann das auch dazu führen, dass sich Ama im Körper ansammelt und Krankheiten entstehen. Tamas hat deshalb einen sehr schlechten Ruf und gilt als negatives, zerstörendes und lebensfeindliches Guna.

Diese Betrachtung ist etwas zu einseitig: Wir brauchen die schwere, bremsende Wirkung von Tamas – zum Beispiel, um einschlafen zu können und zur Ruhe zu kommen. Viele Menschen haben jedoch zu viel tamasische Energie in ihrem Leben: Sie ernähren sich von Fertigprodukten, betäuben sich mit Alkohol und Drogen, vermeiden Aufgaben und Anstrengungen und verbringen ihre Freizeit vor dem Fernseher. Ein solches Übermaß an Tamas kann dazu führen, dass die trübe, dunkle Schwere von Tamas unseren Körper und Geist einhüllt und unsere Intuition vernebelt: Wir stumpfen ab und werden apathisch, ignorant und teilnahmslos.

Tamasische Lebensmittel

Tamasische Nahrung sollte nach ayurvedischem Verständnis nur einen sehr kleinen Teil deines Speiseplans ausmachen. Nur in ganz bestimmten Fällen kann es sinnvoll sein, mehr tamasische Lebensmittel zu verzehren: Zum Beispiel, wenn du gerade sehr nervös, ängstlich oder ruhelos bist. Da aber die meisten Lebensmittel, die im Ayurveda als tamasisch gelten, auch aus ernährungswissenschaftlicher Sicht nicht besonders empfehlenswert sind, ist es besser, auf Kräuter und Gewürze mit Tamas-Wirkung zurückzugreifen. Beispiele sind Mohn, Knoblauch, Asafoetida oder Baldrian.

Beispiele für tamasische Lebensmittel:

  • Fertigprodukte und stark verarbeitete Lebensmittel
  • Dosen- und Tiefkühlkost
  • Fast Food
  • Frittiertes
  • Süßigkeiten
  • Alkohol
  • Pilze
  • Unreife oder überreife Produkte
  • Altes oder abgestandenes Essen
  • Ranziges Öl
  • Tierische Produkte aus Massentierhaltung

Gunas und Doshas

Die Maha Gunas sind feinstoffliche Energiemuster und können sich je nach Dosha-Typ unterschiedlich auswirken. Rajas und Tamas gelten als „Doshas des Geistes“ – der Begriff Dosha kann dabei mit „Verderber“ übersetzt werden: Die drei Gunas verstärken meist die Eigenschaften der Doshas, die ohnehin die Tendenz haben, aus der Balance zu geraten.

  • Bei Pitta-Typen zeigt sich ein Zuviel an Rajas vielleicht durch impulsives, dominantes und rücksichtsloses Verhalten oder eine erhöhte Konfliktbereitschaft. Sattva sorgt beim Pitta Dosha für Intelligenz, Courage, Effizienz und Optimismus, Tamas dagegen für erhöhte Gewaltbereitschaft, Manipulation und Arroganz.
  • Ein Kapha-Typ, bei dem Sattva vorherrscht, zeigt sich gelassen, zufrieden, loyal und empathisch. Owbohl ein gewisses Maß an Rajas für Kapha-Menschen vorteilhaft sein kann, führt es im Übermaß zu Gier, Anhaftung und Eifersucht. Tamas äußert sich bei Kaphas durch Antriebslosigkeit, Depressionen und Gefühllosigkeit.
  • Sattvische Vatas sind offen, kommunikativ, kreativ und dabei freundlich und entspannt. Dominiert Rajas in Vata-Typen, leiden sie unter Nervosität, Ängsten und Rastlosigkeit oder fühlen sich verloren. Tamas führt beim Vata Dosha zu Blockaden, Minderwertigkeitsgefühlen, Psychosen und Unehrlichkeit.

Obwohl alle Doshas alle drei Gunas in sich tragen, gelten Vata und Pitta als tendenziell rajasisch und sattvisch: Das bedeutet, dass bei unausgeglichenen Pitta- oder Vata-Typen Unruhe oder übermäßiger Ehrgeiz wahrscheinlicher sind als Schwere und Lethargie. Kaphas hingegen neigen eher zu Sattva und Tamas und profitieren meist von rajasischen Elementen, die sie etwas mehr in Schwung bringen.

Der tägliche Tanz der Gunas

Sattva, Rajas und Tamas gehören zusammen: Keines der Gunas kann ohne die beiden anderen existieren. Es geht also nicht darum, Rajas und Tamas komplett zu eliminieren und 100% sattvisch zu leben: Das würde auch gar nicht funktionieren. Ideal ist eine Art „dynamische Balance“ der drei Gunas und das Bewusstsein dafür, welches der Triguna gerade am stärksten ausgeprägt ist – und damit unsere Wahrnehmung, unsere Emotionen und unser Verhalten beeinflusst.

Um ein gesundes, ausgeglichenes und zufriedenes Leben zu führen, wollen wir insgesamt versuchen, den Anteil sattvischer Elemente zu steigern, Rajas zu reduzieren und Tamas nach Möglichkeit zu minimieren. Doch auch Sattva kann theoretisch zu stark werden: Die Folge wäre ein Mensch, der die Bodenhaftung verliert, sich Illusionen hingibt, ständig in höheren Sphären schwebt und sich für erleuchtet hält.

Es ist ganz normal, wenn du ab und zu den Kopf verlierst, melancholisch oder überehrgeizig wirst oder ein Wochenende auf der Couch verbringst. All diese Aspekte gehören zu unserem Dasein als Menschen. Wichtig ist nur, dass wir nicht auf Dauer zu sehr in eine Richtung ausschlagen. Wenn du gerade viel Rajas oder Tamas in dir spürst, kannst du mit deiner Ernährung und Aktivitäten und Gewohnheiten gegensteuern.

Neben sattvischen Lebensmitteln helfen dir Yoga, Pranayama, Meditationen, Achtsamkeitsübungen und Dankbarkeitsrituale dabei, Sattva zu erhöhen. Um von einem tamasischen Zustand zu einem sattvischen zu gelangen, musst du allerdings zunächst über Rajas gehen: Das bedeutet, für eine Weile darfst du mehr rajasische Lebensmittel sowie Abwechslung und fordernde Aktivitäten in dein Leben integrieren.

Bewusster leben mit den Gunas

Vielleicht kommt dir das Konzept der drei Gunas noch etwas abstrakt vor: Im Grunde geht es aber einfach darum, dem Zustand unseres Geistes und den Kräften, die in uns wirken, mit mehr Achtsamkeit zu begegnen. Das Prinzip der Maha Gunas hilft dir, zu erkennen, wenn du dich einem der Extreme näherst, und zeigt dir Möglichkeiten auf, die dich zurück zu Klarheit, Gelassenheit und Ausgeglichenheit führen.

Was denkst du brauchst du gerade: Mehr klares, harmonisches Sattva, leidenschaftliches Rajas oder gemächliches, schweres Tamas? Obwohl wir die tamasischen Faktoren in unserem Leben weitestgehend vermeiden wollen, können sie – sofern gezielt eingesetzt – eine durchaus nährende und positive Wirkung haben. Ein gemütlicher Videoabend, bei dem du dir aufmerksam einen schönen Film ansiehst, ist ein gutes Beispiel für „sattvische Tamas“ und kann zu mehr Ruhe und Entspannung beitragen.

Du möchtest noch mehr über die Grundlagen des Ayurveda erfahren und lernen, wie wir das Prinzip von Sattva, Rajas und Tamas in der ayurvedischen Psychologie anwenden? Dann wirf doch mal einen Blick auf unsere Ausbildung zum Psychologischen Ayurveda Berater. Darin bringen wir dir auch komplexe Konzepte auf anschauliche Art und Weise näher und zeigen dir, wie sie dir und deinen Klient*innen zu mehr Balance verhelfen können. Wir würden uns freuen, dich in einer der nächsten Runden dabei zu haben!

Anfrage senden