Schlaf (Nidra) – Einflüsse auf unser Leben, Schlafgewohnheiten und Empfehlungen

03.12.2019 | Ayurveda, Gesundheit, Glück, Leichtigkeit, Schlaf, Vitalität, Wohlbefinden

Ayurveda Nidra (Schlaf) - Gewohnheiten & EinfussDer Schlaf ist ein weiterer Pfeiler, auf dem die Gesundheit ruht. Gesunder Schlaf ist ebenso notwendig für den Erhalt des Körpers wie gesunde Ernährung. Schlaf- und Ernährungsgewohnheiten entscheiden in besonderem Maße über Fettleibigkeit, Normalgewicht oder Untergewicht. Mit Nidra ist nicht nur Schlaf, sondern allgemein Ruhe und Erholung des Körpers, Muße, Entspannung des Geistes, Regeneration gemeint. Schlaf ist eine Einrichtung der Natur, um verloren gegangene Lebensenergie wieder herzustellen und zu speichern. Der Ayurveda bezeichnet den Schlaf als „Diät des Geistes“. Für geistiges Wohlbefinden ist folglich ein gesunder, geregelter Schlaf unumgänglich.

Dieser Lebensstütze wird in unserer hektischen, hochtechnisierten Leistungsgesellschaft viel zu wenig Wertschätzung und Raum zugestanden. Und doch leiden immer mehr Menschen an chronischen Schlafstörungen. Durch die Erfindung des elektrischen Lichts hat die Arbeitszeit Ende des 19. Jahrhunderts dem Schlaf immer mehr Substanz geraubt. Als die elektronischen Medien Ende des 20. Jahrhunderts in unseren Arbeitsalltag und unser Privatleben Einzug hielten, konnte damit noch massiver in unser Bewusstsein, in unseren Körper, unsere Psyche und unser Sozialleben eingegriffen werden. Der Fluch dieser Errungenschaften scheint aus gesundheitlicher Sicht zumindest größer zu sein als der Segen. Wir befinden uns durch diese ständige Sinnesüberreizung und mentale „busy-ness“, in einer sympathikotonen, vegetativen Daueranspannung, in der wir unseren Geist abends nicht so einfach abschalten können wie unseren PC oder unser Smartphone. Es scheint offensichtlich eine asiatische Kunst zu sein, den täglichen Aktivitäten nachzugehen in einem Zustand geistiger Entspannung und ohne Anstrengung im Tun. Aber wir sehen leider heute auch in Asien, dass unser ach so „modernes“ Computerzeitalter seine Spuren hinterlässt und Nidra oft zu kurz kommt …

Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass der Durchschnittsamerikaner unter einem chronischen Schlafdefizit leidet. Er bekommt im Schnitt 25% weniger Schlaf als seine Vorfahren vor 100 Jahren. Eine derartige Schlafberaubung schmälert die Gehirnreserven und erhöht das Stressrisiko durch einen permanent erhöhten Adrenalin- und Cortisolspiegel.

Viele Aspekte des täglichen Lebens hängen in hohem Maße vom Schlaf ab

Nach Charaka und Vagbhata entscheiden unser täglicher Schlaf über:

  • Glück oder Kummer
  • Guten oder schlechten Ernährungszustand
  • Viel Energie oder permanente Schwäche/Erschöpfung
  • Potenz oder Impotenz
  • Wissen oder Unwissenheit
  • Leben oder Tod

Der nächtliche Schlaf ist – sofern er zur rechten Zeit in ausreichendem Maße im Sinne von Nidra erfolgt –  die Zeit für die inneren Reparationsmechanismen, den ständigen Umbau und das Wiederaufladen der Batterien des Nervensystems. Schlaf ist ein anabolisches Phänomen, bei dem der Stoffwechsel der wichtigsten Entgiftungs- und Vitalorgane (Pankreas, Magen, Herz, Leber, Gallenblase, Dickdarm und Lunge) in jeder „Nachtschicht“ wahre Wunder vollbringt. Wenn diese heiligen Stunden der Nacht nicht gestört werden durch Aufbleiben, Arbeiten (körperlich und geistig), Sinnesreizung, Schlafstörungen oder nächtliches Essen, wird dieser Schlaf beziehungsweise Nidra zum Heilschlaf und damit zurecht als göttliches Elixier angesehen.

Der Schlaf vor Mitternacht regeneriert die Glutathionreserven der Leber und führt zu einem Anstieg des körpereigenen Radikalfängers und Schlafhormons Melatonin, dem ebenfalls eine Krebs verhütende Wirkung zukommt. Allerdings ist die Bildung von Melatonin nur dann möglich, wenn der Körper am Tag genügend natürlichem Licht ausgesetzt wurde sowie ausreichend Vitamine und L-Tryptophan vorhanden sind.“*)

*) Zitat: Dr. med. Joachim Mutter:„Gesund statt chronisch krank“, Fit fürs Leben Verlag, Weil der Stadt, 2009

Wie wirkt sich unangemessener Schlaf aus?

Schlaf zur falschen Zeit, Schlafmangel oder exzessiver Schlaf zerstören unser Lebensglück und verkürzen langfristig unsere Lebensspanne. Des Nachts aufzubleiben verstärkt die trockenen Qualitäten im Körper und damit Vata. Eine Langzeitfolge davon sind Dehydrierung, trockene Haut, trockene Schleimhäute und Därme (= Verstopfung). Schlaf während des Tages hingegen erhöht die öligen Qualitäten und damit Kapha. Das Körperfeuer Agni brennt tagsüber stärker als nachts. Es sorgt für eine geregelte Verdauung, eine konstante Körpertemperatur sowie aktive Stoffwechselleistungen. Schlafen wir also am helllichten Tage, so werden die Agni-Funktionen (= Biochemie/Hormonhaus- halt) geschwächt; Kapha steigt dann über Gebühr an. Die Schulmedizin spricht in diesem Fall von einem verminderten Grundumsatz, also weniger Verbrauch im erzwungenen, unnatürlichen Ruhezustand.

Tagschlaf, Mittagsnickerchen – ja oder nein?

Der Mittagsschlaf sollte für Gesunde nicht länger als maximal 20 Minuten dauern (sog. „Powernap“) und mehr ein körperliches Ruhen und geistiges Entspannen (so genannter„psychischer Schlaf“) als ein tiefer Schlaf sein. Direkt nach dem Mit- tagessen  ist es heilsam, sich auf die linke Körperseite zu legen, um die Verdau- ungskanäle zu aktivieren (Surya Nadi). Insbesondere in der Sommerzeit kann so ein Powernap wahre Wunder bewirken, da die Wärme zu schnellerer Erschöpfung tagsüber führt – ein Grund weshalb in Mittelmeerländern um die Mittagszeit Siesta gehalten wird. Gesunde Menschen sollten, wenn sie nachts aufbleiben, die Hälfte der Schlafzeit in den Vormittagsstunden nachholen, dann aber das Früh- stück auslassen und zu Mittag essen. Dies sollte aber eher die Ausnahme sein.

Tag-/Mittagsschlaf ist empfehlenswert für folgende Menschen:

  • Alte Menschen
  • Psychisch Kranke
  • Menschen, die erschöpft sind durch Reisen/Nachtwachen
  • Menschen, die geschwächt sind von Kummer, Zorn und Furcht
  • Menschen die durch zu viel reden/singen/trinken abmagern
  • Nach Geschlechtsverkehr
  • In der schwülen Sommerzeit/in heißen Gegenden für alle Bedürftigen
  • Nach schwerer Körperarbeit bzw. Nacht-/Schichtarbeit
  • Bei Verdauungsschwäche
  • Kranke, genesende, ausgezehrte, untergewichtige, verwundete Patienten
  • Durstleidende, dehydrierte Menschen
  • (Klein-)Kinder/Jugendliche
  • Schwangere und Frauen nach der Niederkunft
  • Vata-Typen

MERKE: Die oben genannten Personengruppen sollten zu jeder Tageszeit Schlaf bekommen, sofern sie danach verlangen. Das Gleichgewicht in den Körpergeweben (Dhatus) wird auf diese Weise wieder hergestellt werden. Die durch Ruhe und Schlaf gewonnene Stärke und das dadurch erzeugte Kapha nähren und stärken alle Körperteile und verhindern so eine Verringerung der Lebensspanne.

Tag-/Mittagsschlaf ist ungeeignet für:

  • Übergewichtige (mit hohem Kapha-Anteil)
  • Gesunde, aktive Menschen
  • Diabetes-Patienten (Typ 2)
  • Nach dem Verzehr fettreicher Nahrung
  • Patienten mit starker Ama-Belastung bzw. Kapha-Störungen
  • Patienten mit Beschwerden im Hals-/Rachenbereich

MERKE: Außer im Sommer werden zu allen anderen Jahreszeiten Pitta und Kapha angeregt durch Tagschlaf. Das ist der Grund, weshalb in Westeuropa besonders für Pitta-/ Kapha-Typen das Schlafen untertags nicht empfehlenswert ist. Mittagsschlaf hemmt die Verdauung, baut aber Stress ab, was in unseren Landen offensichtlich mehr zählt.

Im Sommer allerdings sind hierzulande die Nächte kürzer und der daraus folgende Schlafmangel kommt zur mittäglichen Hitze hinzu, welche unserem Körper Energie raubt. Überfällt Sie allerdings regelmäßig nach dem Mittagessen eine bleierne Müdigkeit, so leiden Sie sehr wahrscheinlich unter der so genannten ‘Fressstarre’ – auch bekannt als ‘Suppenkoma’ oder ‘Kantinentief’. Dies sollte ein ernsthafter Grund sein, die Ernährungsgewohnheiten und die persönliche Speisekarte einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Der Mittagsschlaf löst nicht falsche Ernährungsgewohnheiten!

Schlaflosigkeit bzw. das fern bleiben von Nidra erhöht Vata mit folgenden typischen Symptomen:

  • Schmerzen im gesamten Körper
  • Schweregefühl
  • Trägheit/Antriebslosigkeit
  • Ständiges Gähnen
  • Müdigkeit
  • Schwindel
  • Verdauungsstörungen
  • Faulheit/Lethargie

Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Buch “Ayurveda Heilrituale” von Alexander Pollozek und Sandra Grünes (ISBN: 978-3746927336). Wir freuen uns sehr ihn als Dozent für unsere Ayurveda Massage Ausbildung gewonnen zu haben!

 

Anfrage senden