Warum wir kein Dosha-Quiz anbieten
Du bist dir nicht sicher, was deine ayurvedische Konstitution ist? Online gibt es unzählige Dosha-Tests, die mehr Klarheit bringen sollen. Beim Ayurveda Campus haben wir uns allerdings dagegen entschieden, ein solches Dosha-Quiz anzubieten: In diesem Beitrag erklären wir dir, warum.
Dosha-Tests zur Konstitutionsbestimmung im Ayurveda
Die drei Doshas Vata, Pitta und Kapha sind in der Regel das Erste, was in Erinnerung bleibt, wenn man sich neu mit dem Ayurveda beschäftigt. Diese Bioenergien oder Energiemuster stehen sinnbildlich für die Eigenschaften der fünf Elemente: Vata für Luft und Äther, Pitta für Feuer und Wasser und Kapha für Wasser und Erde.
Am bekanntesten ist, dass die Doshas zur ayurvedischen Konstitutionsbestimmung verwendet werden. Der Ayurveda geht davon aus, dass jeder Mensch mit einem bestimmten Verhältnis der drei Doshas geboren wird. Meist sind ein oder zwei Doshas stärker als die anderen, obwohl wir alle drei Muster in uns tragen. Dieses Verständnis ist ein Grundprinzip des Ayurveda. Deine individuelle Dosha-Kombination bildet die Basis für alle Ernährungs-, Verhaltens- und Therapieempfehlungen.
Es ist verständlich, dass wir möglichst schnell und eindeutig wissen möchten, welchem Konstitutionstyp wir entsprechen. Schließlich gehört es zur menschlichen Natur, nach Antworten zu suchen. Wir alle möchten unsere Nische in dieser Welt finden: Die Vorstellung, dass jemand anderes uns sagt, wer wir sind und wie wir leben sollten, erscheint da natürlich sehr praktisch. Aus unserer Sicht ist ein Dosha-Quiz aber nicht der ideale Weg, um deine Konstitution zu bestimmen.
Vielleicht hast du schon mal einen Dosha-Test gemacht, das Ergebnis hat sich aber nicht wirklich nach dir angefühlt? Oder du hast mehrere Tests gemacht und das Ergebnis war jedes Mal ein anderes? Es kann Spaß machen und ist völlig in Ordnung, an einem Dosha-Quiz teilzunehmen: Du bekommst dadurch eine erste Idee davon, in welche Richtung es gehen könnte. In unseren Augen ist damit die Grenze des Möglichen aber auch schon erreicht.
Ein Grund dafür ist die Unterscheidung der Konstitution in Prakriti und Vikriti:
- Prakriti: Die Prakriti ist dein Kern, deine einzigartige Natur. Der Begriff steht für die Dosha-Kombination, mit der du geboren wurdest, und deine damit verbundenen Stärken, Schwächen, Eigenschaften und Ressourcen. Du kannst sie dir fast wie eine Art Wegweiser vorstellen, der dir hilft, ein gesundes und glückliches Leben zu führen. Deine Prakriti bleibt ein Leben lang gleich.
- Vikriti: Die Vikriti ist deine Dosha-Kombination zum jetzigen Zeitpunkt. Daran siehst du schon, dass sie sich verändern kann: Dein aktueller körperlicher und psychologischer Zustand hängt sehr stark davon ab, wie du lebst. Weicht deine Vikriti von deiner Prakriti ab, gilt das im Ayurveda als Ursache von Störungen und Krankheiten.
Die Grenzen des Dosha-Quiz
Eine ayurvedische Konstitutionsbestimmung ist viel mehr als das Unterteilen der Menschen in drei Kategorien. Sie erfordert das feinfühlige Beobachten und Erfassen eines Menschen in seiner Gesamtheit – inklusive seines Lebenswegs, seiner Wünsche und seiner Gefühlswelt. Das kann ein zehnminütiges Online-Dosha-Quiz einfach nicht leisten.
Um die Konstitution zu bestimmen, beziehen wir verschiedene körperliche, geistige und emotionale Faktoren mit ein. Betrachten wir nur einen Aspekt oder wenige isolierte Merkmale, werden wir dem Menschen damit nicht gerecht. Wichtig ist auch, zu analysieren, wie sich bestimmte Eigenschaften im Laufe der Zeit verändert haben und welche Ursachen dahinterstecken.
Ein Beispiel: Du hast vor einer Weile sehr abgenommen und kämpfst momentan mit trockener Haut und nervöser Unruhe. Nach Lehrbuch wären das klassische Vata-Merkmale. Falls das früher anders war, könnte es aber sein, dass nur deine Vikriti eine Vata-Dominanz zeigt und deine Prakriti eigentlich eine ganz andere ist. Verlässt du dich auf das Ergebnis des Dosha-Quiz, folgst du vielleicht Empfehlungen, die ein vorhandenes Ungleichgewicht eher verstärken.
Manchmal ist deine Vikriti so dominant, dass die Prakriti nur schwer zu erkennen ist. Selbst eine ausführliche Anamnese durch Ayurveda-Therapeut*innen verschafft dir keine absolute Garantie. Es gibt zwar einige wenige Expert*innen, die innerhalb von Sekunden wissen, wer vor ihnen steht, das ist aber sehr selten. Vielleicht schaffst du es, deine Prakriti als etwas zu sehen, das sich zu erkunden lohnt. Das kannst du ohne weiteres selbst tun – auch wenn es natürlich hilft, dabei von erfahrenen Ayurvedis unterstützt zu werden.
Wie wichtig ist es, den eigenen Konstitutionstyp zu kennen?
Eine der zentralen Kompetenzen, die wir beim Ayurveda Campus an dich weitergeben möchten, ist, die Sprache deines Körpers wieder besser zu verstehen. Im Prinzip ist es dafür gar nicht so wichtig, deinen Konstitutionstyp genau zu kennen: Es reicht, wenn du zuhörst. Sagt das Ayurveda-Dosha-Quiz dir, dass du ein Kapha-Typ bist und du stellst deine Ernährung daraufhin auf reichlich Kohl, Hülsenfrüchte und scharfe Gewürze um, wirst du schnell merken, ob es dir guttut oder nicht – zumindest, wenn du achtsam bist.
Natürlich sieht das etwas anders aus, wenn du ernsthaft krank bist und eine Therapie brauchst, die genau auf deine Bedürfnisse zugeschnitten ist. In diesem Fall werden Ayurveda-Ärzt*innen immer eine umfassende Anamnese durchführen, in der sie auch deine Prakriti und Vikriti bestimmen. Dafür sehen sie sich deine Persönlichkeit, deinen Körperbau und dein Gesicht, deine Körperfunktionen und eventuelle frühere Krankheiten und Symptome genauer an.
Die Ayurveda-Anamnese
Wenn du das erste Mal zu einer Ayurveda-Beratung gehst, erwarten dich viele Fragen – viel mehr als bei einem Dosha-Quiz! Es kann sein, dass du schon vorher einen Bogen zugeschickt bekommst, in dem du deine Symptome, Ernährung und Lebensführung beschreiben sollst. Erstgespräche im Rahmen einer Ayurveda-Anamnese dauern in der Regel mindestens eine Stunde, oft sogar deutlich länger.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch deine Kindheit eine Rolle spielen wird. Als Kinder sind wir ganz wir selbst und noch nicht so stark von der Gesellschaft geformt: Häufig gibt die Persönlichkeit, die wir in der Kindheit hatten, hilfreiche Hinweise auf die Prakriti. Bereite dich zudem darauf vor, Fragen zu deiner Verdauung, deinem Urin und deinem Stuhlgang zu beantworten: Alle Prozesse und Produkte deines Körpers sind wichtig, um ein umfassendes Bild zu bekommen.
Ayurveda-Expert*innen möchten genau wissen, welche Bereiche und Gewebe deines Körpers von Störungen betroffen sind und wie es um deine psychische Gesundheit steht. Nur so ist es möglich, zu erkennen, in welchem Stadium der Krankheitsentstehung du dich befindest, welche Art der Ayurveda-Ernährung sich für dich eignet und welche weiteren Maßnahmen unterstützen können.
Weitere Elemente der ayurvedischen Konstitutionsbestimmung
Von den Dosha-Tests weißt du wahrscheinlich, dass bei einer Konstitutionsbestimmung auch dein Äußeres analysiert wird. Die unveränderlichen Merkmale deines Körpers, wie beispielsweise deine Größe, die Länge deiner Gliedmaßen oder der Umfang deiner Gelenke, geben Hinweise auf deine Prakriti. Andere, wie zum Beispiel deine Verdauung oder die Farbe deiner Haut, stehen eher für die Vikriti.
- Antlitzanalyse: Die Anlitzanalyse betrachtet genau genommen nicht nur das Gesicht, sondern das gesamte Erscheinungsbild einer Person. Das Gesicht mit Stirn, Augen, Nase, Kinn, Ohren und Hals ist allerdings besonders wichtig, um deine ayurvedische Konstitution zu erkennen.
- Zungendiagnose: In der modernen westlichen Medizin streckst du höchstens mal die Zunge heraus, wenn du über Halsschmerzen klagst – im Ayurveda hingegen ist sie eines der wichtigsten Merkmale der Gesundheit. Starker Belag, der sich nicht entfernen lässt, deutet auf Ama (Stoffwechselrückstände) im Körper hin. Farbe, Form, Struktur und Bewegung der Zunge helfen auch bei der Konstitutionsbestimmung.
- Pulsdiagnose: Die Pulsdiagnose ist eine besonders hohe Kunst im Ayurveda: Nur wenige Menschen haben die Fähigkeit, anhand des Pulses sofort die dominanten Doshas und sogar Krankheiten zu identifizieren. Dafür braucht es allerdings viele Jahre Erfahrung. Mit etwas Übung können dir die Frequenz, Stärke und der Rhythmus des Pulses aber einen Hinweis auf die Konstitution geben.
Viel besser als ein Dosha-Test: Menschen verstehen lernen
Ein zentraler Aspekt der Konstitutionsbestimmung sind Intuition und Menschenkenntnis. Wir wollen dir keinesfalls empfehlen, Menschen direkt nach dem Kennenlernen in eine Dosha-Schublade zu stecken. Je mehr Übung du aber hast, desto leichter wird es, das energetische Muster eines Menschen einzuschätzen. Der Ayurveda ist eine jahrtausendealte Wissenschaft, die vor allem auf Erfahrung basiert. Noch bis vor wenigen Jahrhunderten gab es keine Technologie und moderne Diagnosetools: Jeder Mensch, der andere behandelte, musste sich auf seine Sinne und Einschätzung verlassen.
Das erfordert Unvoreingenommenheit, echtes Interesse und die Kunst, aufmerksam zuzuhören. Ein*e gute*r Ayurveda-Berater*in wird dich deshalb genau beobachten, um sich ein Bild von deiner Persönlichkeit zu machen. Ob du laut oder leise sprichst, wie deine Stimme klingt, wie du atmest oder ob du direkten Augenkontakt eher meidest – all das deutet auf die Doshas hin, die in dir wirken.
Hast du Lust, selbst ein kleines Experiment zu starten? Dann begib dich das nächste Mal, wenn du dich mit einem Menschen unterhältst, ganz bewusst in die Rolle des Beobachters. Es spielt keine Rolle, ob du die Person schon kennst oder nicht. Wenn ihr euch schon kennt, ist es allerdings meistens etwas schwerer, unvoreingenommen zu sein. Versuche zu spüren, wie die andere Person auf dich wirkt: Ruhig oder angespannt, warm oder kühl, leicht oder schwer, impulsiv oder besonnen? Und wie fühlst du dich selbst im Umgang mit diesem Menschen?
Forschergeist statt Dosha-Quiz
Du merkst also: Eine ayurvedische Konstitutionsbestimmung ist sehr aufwendig und erfordert viel Erfahrung. Vielleicht kannst du jetzt ein bisschen besser nachvollziehen, warum wir beim Ayurveda Campus kein Dosha-Quiz anbieten möchten. Wir denken, dass wir dir damit nicht helfen würden, sondern die Konzepte des Ayurveda zu sehr vereinfachen.
Trotzdem möchten wir noch einmal darauf hinweisen, dass nichts dagegenspricht, einen Dosha-Test zu machen. Wir empfehlen dir aber, dem Ergebnis nicht zu viel Gewicht zu geben. Statt dich mit „deinem“ Dosha-Typ zu identifizieren, bleib weiterhin offen für neue Erkenntnisse und Potenziale. Wenn du magst, frag andere Menschen, welche Wirkung du auf sie hast – und achte selbst darauf, welches Klima und welche Lebensmittel, Energien und Aktivitäten dir guttun. Das hilft beim Erforschen deiner eigenen Konstitution viel mehr als das beste Dosha-Quiz.
Du hast Lust, noch mehr über die Grundlagen der ayurvedischen Konstitutionsbestimmung zu lernen? Dann würden wir uns sehr freuen, dich als Teilnehmer*in unserer nächsten Ayurveda Therapeut Basis Ausbildungsrunde dabeizuhaben! Dort erfährst du alles rund um die Doshas und lernst außerdem, wie du Prakriti und Vikriti richtig unterscheidest. Na, bist du neugierig geworden?