Was ist Prana im Ayurveda?
Was genau unterscheidet ein Kuschelteddy von einem echten Bären? Aus ayurvedischer Sicht ist die Antwort klar: Dem Stofftier fehlt Prana, der Lebenshauch. Vielleicht kennst Du Prana als Sanskrit-Begriff für den yogischen Atem. Das Konzept von Prana geht aber weit über den Atem hinaus: Prana ist die Lebensenergie, die Dich antreibt und mit Deiner Umgebung verbindet. Hier erfährst Du, was Prana ist und wie Du es stärken kannst.
Was ist Prana: Die Definition
Seien wir ehrlich: Manche ayurvedischen Prinzipien und Konzepte sind für Anfänger:innen erst einmal sehr abstrakt. Doshas, Gunas, Dhatus – um diese Begriffe zu verstehen, muss man zunächst die grundsätzliche Weltanschauung des Ayurveda verinnerlichen.
Auch Prana ist ein Wort, das versierte Ayurvedis ganz selbstverständlich verwenden. Falls Du Dich schon häufiger gefragt hast, was genau sich eigentlich dahinter verbirgt, möchten wir mit diesem Text für etwas mehr Klarheit sorgen.
Was also ist Prana? Stell Dir vor, Du stehst morgens auf und öffnest das Fenster. Du atmest tief ein, spürst die frische Morgenluft in Deinen Lungen und merkst, wie neue Energie durch Deinen Körper strömt.
Das was, Du in diesem Moment fühlst, ist pure Prana-Energie: Die fundamentale Lebenskraft, die alles Lebendige durchdringt und belebt. Prana steckt in allem, was lebendig ist: In Dir, in Deinem Hund, in der Pflanze auf Deinem Fensterbrett und in dem Apfel, den Du vom Baum pflückst.
Die Bedeutung von Prana: Atem, Energie und Lebenshauch
Der Begriff Prana stammt aus dem Sanskrit und setzt sich aus den Silben Pra (vorwärts, Bewegung) und Na (Atem, Energie) zusammen. Übersetzt wird Prana meistens mit Lebensenergie, Lebenshauch, Lebensatem oder Lebenskraft.
Der Ursprung des Begriffs Prana lässt sich bis zu den Veden, den ältesten heiligen Schriften Indiens, zurückverfolgen. Sie beschreiben Prana als fundamentale Energie, die das gesamte Universum durchdringt, unseren Körper belebt. Körper, Geist und Seele miteinander und uns mit dem Kosmos verbindet.
Die weisen Seher des alten Indiens, die Rishis, erkannten durch ihre tiefe meditative Praxis, dass Prana die Manifestation der schöpferischen Urkraft ist. Als Lebensenergie fließt Prana durch die Nadis, die subtilen Energiebahnen unseres Körpers, und versorgt alle Zellen mit Kraft und Informationen.
Prana, die Lebensenergie: Ein universelles Prinzip
Prana hat eine dynamische Qualität und steht auch für Vitalität, Aktivität und geistige Klarheit. Es gilt als treibende Kraft hinter allen körperlichen, geistigen und spirituellen Prozessen.
Auch, wenn wir uns dessen vielleicht nicht bewusst sind, beeinflusst Prana jede Sekunde unseres Lebens. Wir spüren, wenn viel Prana vorhanden ist: Prana ist zum Beispiel auch das, was wir als Charisma, Temperament, Aura oder Ausstrahlung eines anderen Menschen bezeichnen.
Faszinierend ist, dass dieses Konzept der Lebensenergie in fast allen traditionellen Kulturen verankert ist. Die Bezeichnungen, Interpretationen und Anwendungen variieren zwar, es finden sich aber viele Parallelen und Überschneidungen. Im Kern geht es um eine subtile, unsichtbare und allumfassende Kraft, die als Ursprung von Vitalität, Gesundheit, spirituellem Wachstum und kosmischer Ordnung betrachtet wird.
- In der traditionellen chinesischen Medizin heißt Prana Qi oder Chi
- In Japan kennt man diese Kraft als Ki, in Korea als Gi, in Tibet als Lung
- Die alten griechischen Philosophen sprachen von Pneuma
- Im Römischen Reich heißt es Spiritus
- In polynesischen Traditionen gibt es Mana
- Einige indigene Völker Nordamerikas kennen Manitu oder Manito
Die Bedeutung von Prana im Ayurveda
Falls Du Prana schon aus dem Yoga kennst, liegt das daran, dass Ayurveda und Yoga so etwas wie Schwestern-Wissenschaften sind. Ayurveda und Yoga teilen eine gemeinsame Philosophie: Beide beruhen auf den Prinzipien der Samkhya-Philosophie, die die Welt als Zusammenspiel von Geist (Purusha) und Materie (Prakriti) versteht. Prana ist die Brücke zwischen diesen beiden Ebenen.
Beide Lehren basieren auf dem Verständnis, dass Körper, Geist und Seele untrennbar miteinander verbunden sind. Dass Prana oft mit Atem übersetzt wird, ergibt deshalb Sinn: Wenn ein Mensch aufhört zu atmen, kommt es zur Trennung der Seele von Geist und Körper und wir verlieren unsere Lebenskraft.
Aus yogischer und ayurvedischer Sicht hängen die Gesundheit und das Wohlbefinden eines Menschen davon ab, dass Prana kraftvoll und ungehindert durch den Körper fließt. Sind die Kanäle blockiert oder ist Prana geschwächt, können verschiedenste Beschwerden auftreten.
Wenn wir Yoga üben, wollen wir Prana vor allem durch Atemkontrolle (Pranayama) unterstützen. Der Ayurveda hat dasselbe Ziel, setzt aber zusätzlich noch weitere Schwerpunkte – zum Beispiel durch eine Prana-stärkende Ernährung oder gezielte Massagen, die den Fluss der Lebenskraft anregen.
Die Prana Vayus im Ayurveda
Im Ayurveda und auch in der yogischen Philosophie unterteilen wir Prana in unterschiedliche Ströme oder Funktionsbereiche. Die Prana Vayus (wörtlich: Lebenswinde oder -ströme) gelten als subtile Energiebewegungen innerhalb des Körpers: Jedes der fünf Vayus hat eine eigene Richtung, Aufgabe und Wirkung auf Körper und Geist haben.
- Prana Vayu: Steuert die Atmung und den Atemfluss und bildet die Grundlage für die Aufnahme von frischer Lebensenergie.
- Udana Vayu: Steuert die Kommunikation und den Ausdruck, aber auch Gedächtnis und Leistungsfähigkeit.
- Samana Vayu: Regelt den Stoffwechsel und die Verdauung, wobei Nahrung in Energie umgewandelt wird.
- Apana Vayu: Ist verantwortlich für die Ausscheidung und Eliminierung von Stoffwechselendprodukten aus dem Körper, wie zum Beispiel Urin und Stuhl.
- Vyana Vayu: Verteilt Prana über das Herz-Kreislauf-System im gesamten Körper und sorgt für Harmonie und Balance.
Prana stärken
Wie schon beschrieben, steckt Prana in allem, was lebendig ist. Je reiner, frischer und intensiver die Quelle, desto mehr Prana nehmen wir auf. Sonnenlicht, saubere Luft, reines Quellwasser, Meerwasser und frische Nahrung enthalten besonders viel Prana. Deshalb fühlen wir uns nach einem Aufenthalt in der Natur meist aufgetankt, entspannt und zufrieden.
Wir nehmen Prana über alle fünf Elemente der Natur auf:
- Erde (Prithivi) – über die Nahrung
- Wasser (Apas) – über Flüssigkeit
- Feuer (Tejas) – über Feuer und Tageslicht
- Luft (Vayu) – über die Luft
- Äther (Akasha) – über Gemeinschaft und Verbindung
Wie Du die Lebensenergie Prana beeinflusst
Wenn Du Dich erschöpft, müde und ausgelaugt fühlst, hast Du wahrscheinlich zu wenig Prana im Körper – oder der Fluss der Lebensenergie ist gestört. Im Ayurveda nutzen wir deshalb gezielte Techniken und Maßnahmen, um Prana anzuregen und neue Lebenskraft zu generieren.
- Atemtechniken (Pranayama): Pranayama-Übungen sollen den Fluss von Prana harmonisieren, erhöhen und stabilisieren. Durch langsame, tiefe und bewusste Atemzüge steigern wir die Aufnahme von Prana über die Luft. Gute Beispiele, um die Zirkulation der Lebensenergie zu fördern, sind die Wechselatmung (Nadi Shodhana), Kapalabhati oder die klassische Ujjayi-Atmung, die Du vielleicht aus dem Yoga kennst.
- Ernährung und Verdauung: Eine ausgewogene, sattvische Ernährung aus vollwertigen und leicht verdaulichen Lebensmitteln erhöht Prana im Körper. Frische, saisonale und regionale Nahrungsmittel gelten als besonders Prana-reich. Vor allem tamasische Lebensmittel (zu fettig, zu süß, zu alt) enthalten kaum Prana und können den Energiefluss blockieren.
- Rituale für Körper und Geist: Regelmäßige Routinen helfen, Körper, Geist und Umwelt in Einklang zu bringen und den Prana-Fluss zu stabilisieren. Dazu gehören ausreichend Schlaf, regelmäßige Mahlzeiten, moderate Bewegung und genügend Pausen, um Dich zu erholen.
- Ayurvedische Massagen: Über Abhyanga und Marmapunkt-Massagen können Ayurveda-Therapeut:innen den Fluss von Prana gezielt unterstützen. Du möchtest diese Techniken erlernen? Dann empfehlen wir Dir von Herzen unsere Ausbildung zum/zur Ayurveda Massage Therapeut/in!
- Ausleitung und Entgiftung: Ayurvedische Reinigungskuren, wie zum Beispiel Panchakarma, unterstützen die Durchblutung und helfen, blockierte Energiekanäle zu öffnen, sodass Prana freier fließen kann.
- Kräuter und Heilpflanzen: Bestimmte ayurvedische Heilpflanzen und Kräutermischungen (Rasayanas) gelten als Prana-steigernd. Ashwagandha, Brahmi oder Tulsi, aber auch Gewürze wie Ingwer, Kurkuma und Kardamom können körperliche und seelische Blockaden lösen und Körper und Geist mit frischer Lebensenergie versorgen.
Prana Ernährung: Die Energie Deiner Nahrung
Mit einer gesunden, typgerechten Ernährung können wir Prana direkt beeinflussen. Ein sonnengereifter Apfel direkt vom Baum, frisch geerntetes Gemüse aus dem eigenen Garten oder handgepflückte Kräuter – sie alle sind reich an Prana und versorgen uns mit neuer Lebenskraft.
Die Prana-Qualität unserer Nahrung hängt von verschiedenen Faktoren ab: Je frischer und natürlicher ein Lebensmittel ist, desto mehr Lebensenergie enthält es. Auch der Anbau, die Jahreszeit und die Zubereitung spielen eine Rolle. Deshalb achten wir bei der Ayurveda-Ernährung immer auch auf die Herkunft der Lebensmittel und bemühen uns, sie möglichst achtsam zu kochen und zu genießen.
Tiefgekühlte Lebensmittel, stark verarbeitete Industrieprodukte und Speisen, die älter sind als zwei Tage, haben aus ayurvedischer Sicht den Großteil ihrer pranischen Lebensenergie verloren.
Besonders Prana-reiche Lebensmittel sind:
- Biologisch angebaute Lebensmittel
- Frisch gekochte, vollwertige Mahlzeiten
- Frische, sonnengereifte Früchte, Gemüsesorten und Kräuter
- Naturbelassene Nüsse, Samen und Hülsenfrüchte
- Sprossen und Keimlinge
- Ayurvedisches Ghee (geklärte Butter)
- Roher Honig aus bienenfreundlicher Produktion, weil der die Essenz der Blütenenergie enthält
Fazit: Die transformative Kraft der Prana Energie
Prana ist der Atem und gleichzeitig die Lebensenergie: Die unsichtbare Kraft, die uns letztendlich von einer Schaufensterpuppe unterscheidet. Das Konzept von Prana existiert in vielen verschiedenen Kulturen und lehrt uns, dass wir Teil eines größeren Ganzen sind – verbunden durch den unsichtbaren Strom einer kosmischen Kraft.
In der vedischen Tradition gilt der Lebenshauch als Bindeglied zwischen der materiellen und der spirituellen Dimension des Lebens. Prana ermöglicht es uns, gesund zu bleiben, höhere Bewusstseinszustände zu erfahren und unser volles menschliches Potenzial zu entfalten.
Um Prana zu stärken, müssen wir uns alle Bereiche unseres Lebens ansehen: Ernährung, Schlaf, Bewegung, die Umgebung und das soziale Umfeld beeinflussen, wie gut und wie stark Prana in uns fließt. Je bewusster wir darauf achten, desto feinere Abstufungen der Prana-Energie nehmen wir wahr.
An einem Wasserfall, im Wald oder am Meer ist Prana besonders stark und rein spürbar. Diese Orte können uns helfen, unsere eigene Energie aufzutanken und zu harmonisieren. Aber auch in geschlossenen Räumen können wir die Prana Qualität aktiv beeinflussen: zum Beispiel durch regelmäßiges Lüften, gesunde Zimmerpflanzen, natürliche Materialien, Ordnung und Sauberkeit.
Im Ayurveda arbeiten wir außerdem mit gezielten ayurvedischen Massagetechniken, die den Fluss der Prana-Energie stärken und anregen. Du möchtest lernen, wie das geht? Dann melde Dich gleich für die nächste Runde unserer Ausbildung zum/zur Ayurveda Massage Therapeut/in an!